26.03.2025 | Appell an Gesetzgeber: Sieben Prozent Mehrwertsteuer auf künstlerische Fotografie!

Die erfreuliche Rückkehr zur ermäßigten Mehrwertsteuer hat den deutschen Kunstmarkt wieder wettbewerbsfähig gemacht. Bitter ist, dass die Fotografie von der steuerlichen Vergünstigung ausgenommen bleibt. Unser Appell an den Gesetzgeber: Das muss sich dringend ändern! Lesen Sie hier den Beitrag der erstmals im WELTKUNST INSIDER erschien.

aus: WELTKUNST INSIDER. Das Briefing für die Kunstbranche, 18. März 2025

EIN APPELL AN DEN GESETZGEBER: SIEBEN PROZENT MEHRWERTSTEUER AUF KÜNSTLERISCHE FOTOGRAFIE!
Kristian Jarmuschek

Ermäßigte Mehrwertsteuer für Kunstwerke: künstlerische Fotografie als Herausforderung
Am 6. April 2022 trat eine bedeutende Änderung der komplexen EU-Steuerrichtlinie zur Regelung der Mehrwertsteuer auf Kunstgegenstände in Kraft. Diese Neuregelung stellte einen entscheidenden Schritt für die Kunstwelt dar, indem sie die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für den Verkauf von Originalkunstwerken auf sieben Prozent ermöglichte, eine Maßnahme, die am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist.

Im europäische Vergleicht sorgt diese steuerliche Förderung dafür, dass der deutsche Kunstmarkt endlich wieder wettbewerbsfähig ist. Diese bevorzugte Besteuerung, die bereits vor dem 1. Januar 2014 galt, stärkt die Position der deutschen Kunstszene und macht sie für Kulturschaffende und -unternehmen wieder attraktiver. Sie ist ein klares Bekenntnis zur Förderung der Kunst und zur Anerkennung ihres gesellschaftlichen Wertes. Der Bundesverband deutscher Galerien und Kunsthändler hat wesentlich dazu beigetragen, diese Regelung durchzusetzen.

Trotz dieser positiven Entwicklung gibt es eine bedeutende Ausnahme, die die Kunstszene spaltet: die künstlerische Fotografie. Diese wird im deutschen Steuerrecht auch nach der Reform von 2022 nicht als Kunstgegenstand anerkannt – eine Entscheidung, die bereits vor 2014 getroffen wurde. Diese Ausklammerung durch den deutschen Gesetzgeber, die zu einer Ungleichheit im deutschen Kunstmarkt führt und eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Europäischen Union schafft, stößt auf großes Unverständnis in der Kunstszene.

Denn in der EU-Steuerrichtlinie ist die künstlerische Fotografie ausdrücklich als Kunstgegenstand aufgeführt. Die Richtlinie definiert, dass Fotografien, die vom Künstler selbst aufgenommen und entweder von ihm oder unter seiner Aufsicht abgezogen, signiert und nummeriert sind, als Kunstgegenstände gelten, sofern die Auflage höchstens 30 Exemplare umfasst. Diese Kriterien schaffen eine klare Abgrenzung zu industriell gefertigten fotografischen Reproduktionen, die in Massenproduktion hergestellt und verkauft werden.

Länder wie Frankreich und Belgien haben die EU-Regelung zur künstlerischen Fotografie in vollem Umfang übernommen und wenden den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auch auf Fotografien an, die die festgelegten Kriterien erfüllen.

Ein Appell an den Gesetzgeber
Die deutsche Steuerregelung hat sich in der Vergangenheit eher auf traditionelle Kunstformen wie Malerei, Bildhauerei und Druckgrafiken konzentriert, während moderne Kunstformen wie die künstlerische Fotografie außen vor bleiben. Dies führt zu einer veralteten Steuerpolitik, die die Realität der Kunstproduktion im 21. Jahrhundert nicht widerspiegelt. Ein einfaches und einheitliches Verfahren, wie es in Ländern wie Frankreich oder Belgien angewendet wird, könnte auch in Deutschland übernommen werden. Die Kriterien wie die Signatur, die Nummerierung und die begrenzte Auflage von maximal 30 Exemplaren bieten eine klare Grundlage, um die künstlerische Fotografie eindeutig als Kunstwerk zu definieren.

Was ist zu tun?
Die Entscheidung, künstlerische Fotografie auch bei der Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes zu berücksichtigen, könnte jetzt getroffen werden. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen sollen sich die Vertreter:innen der Parteien im AG 14 – Kultur und Medien darauf verständigen diesen kleinen Schritt mit großer Wirkung zu verabreden. Gerade der Berliner Unterhändler Joe Chialo könnte so unter Beweis stellen, dass er nicht nur mit dem Rotstift agieren kann, sondern das ganze Bild der Kunst im Blick hat.

Formal wäre es am einfachsten, wenn die gesetzgeberischen Entscheider an der steuersystematisch richtigen Stelle nur ein kleines d) hinzufügen – und zwar in Anlage 2 zum deutschen Umsatzsteuergesetz (UstG), Nr. 53:

„Kunstgegenstände, und zwar
a) Gemälde und Zeichnungen, vollständig mit der Hand geschaffen, sowie Collagen und ähnliche dekorative Bildwerke, /// Position 9701
b) Originalstiche, -schnitte und -steindrucke, /// Position 9702
c) Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art /// Position 9703
d) vom Künstler aufgenommene Fotografien, die von ihm oder unter seiner Überwachung abgezogen wurden und signiert sowie nummeriert sind; die Gesamtzahl der Abzüge darf, alle Formate und Trägermaterialien zusammengenommen, 30 nicht überschreiten. /// Position 4911 9100

Ein fortschrittlicheres Verständnis von Kunst und Kunstwerken im Steuerrecht könnte dazu beitragen, dass auch moderne Kunstformen wie Fotografie, Siebdruck oder Lichtkunstwerke endlich die gleiche Anerkennung und steuerliche Gleichstellung erhalten, die sie verdienen.

Ein Schritt in die Zukunft
Die Einführung der sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Kunstgegenstände war ein bedeutender Erfolg und ein Gewinn für die Kunstwelt. Doch die Diskussion um die steuerliche Behandlung von künstlerischer Fotografie zeigt, dass es noch weitergehende Anpassungen im Steuerrecht braucht, um die Kunstwelt vollständig zu berücksichtigen. Nur durch ein modernes und flexibles Steuersystem kann die Kunst in all ihren Formen gefördert und gewürdigt werden. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber jetzt die Chance ergreift und die künstlerische Fotografie und andere moderne Kunstformen in die Liste der steuerlich begünstigten Kunstgegenstände aufnimmt.

Kristian Jarmuschek ist Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) sowie Inhaber der Galerie Jarmuschek + Partner in Berlin. Zudem leitet er die Kunstmesse Positions Berlin sowie gemeinsam mit Olga Baß die Art Karlsruhe.

Kristian Jarmuschek | Galerist und BVDG-Vorstand