09.09.2025 | Galerienstudie 2025 | Unterschätzte Kulturorte unter Druck

Fünf Jahre nach der Untersuchung im Pandemiejahr 2020 und zwölf Jahre nach der ersten Erhebung legt Hergen Wöbken vom Institut für Strategieentwicklung (IFSE) die dritte, in Zusammenarbeit mit dem BVDG durchgeführte bundesweite Galerienstudie vor, die nun online verfügbar ist.

Die Erhebung wurde im Frühjahr 2025 durchgeführt. Rund 700 professionelle Galerien in Deutschland wurden angeschrieben, mehr als 150 Galerien haben teilgenommen. Da diese einen repräsentativen Querschnitt darstellen, konnte die Auswertung entsprechend hochgerechnet werden.

Die Studienergebnisse im Überblick

Deutsche Galerien bleiben zentrale Orte der Kunstvermittlung: 2024 organisierten sie über 4.000 Ausstellungen auf insgesamt mehr als 120.000 Quadratmetern mit geschätzten zwei Millionen Besucher:innen. Damit behaupten sie ihre kulturelle Reichweite trotz rückläufiger Umsätze. „Galerien sind die unterschätzten Museen Deutschlands. Sie eröffnen täglich neue Ausstellungen, tragen das wirtschaftliche Risiko allein – und bleiben dafür zu unsichtbar im öffentlichen Diskurs“, so Hergen Wöbken vom Institut für Strategieentwicklung (IFSE). Bemerkenswert ist dabei die strukturelle Kontinuität: Viele Ergebnisse ähneln den vorangegangenen Erhebungen von 2013 und 2020 – etwa die Fokussierung auf den Primärmarkt oder die Bedeutung der Malerei als wichtigste künstlerische Gattung in Bezug auf realisierte Verkäufe. Galerien bleiben trotz aller Krisen die zentralen Akteure im Kunstsystem, auf deren Arbeit der Sekundärmarkt basiert.
Eine wichtige Herausforderung für die Zukunft ist der bevorstehende Generationswechsel: 29 Prozent der Galerien planen eine Übergabe innerhalb der nächsten fünf Jahre, weitere 20 Prozent in den kommenden sechs bis zehn Jahren. Nur 17 Prozent verfügen bislang über eine konkrete Nachfolgeregelung. „Wir stehen am Beginn eines massiven Generationswechsels“, so Wöbken. „Das kann für das Kunstsystem den Verlust einzigartiger Profile bedeuten, wenn keine Nachfolge gelingt.“ Arbeitsweise und Erfolg einer Galerie sind maßgeblich an die Persönlichkeit der Inhaber:innen gebunden. Netzwerke, Beziehungen zu Künstler:innen, Marktrelevanz und das spezifische Profil lassen sich nur dann übertragen, wenn eine intensive Auseinandersetzung und sorgfältige Vorbereitung stattfinden.

Erstmals wurde systematisch nach dem Rohertrag gefragt – also nach der Summe, die nach Abzug der direkten Produktionskosten sowie der Anteile aus Verkäufen (Honorare) für die Künstler:innen schließlich für Miete, Personal, Messen (Betriebskosten) und den eigenen Lebensunterhalt übrigbleibt. Typischerweise erwirtschaften Galerien einen Umsatz von 300.000 Euro und einen Rohertrag von rund 50.000 Euro. Betrachtet man jedoch alle Galerien zusammen, liegt der durchschnittliche Rohertragsanteil bei rund 30 % des Umsatzes.

„Nicht der Umsatz entscheidet, ob eine Galerie überlebt, sondern das, was am Ende bleibt“, erklärte Wöbken. „Der Rohertrag ist oft erschreckend gering.“ Diese ökonomische Realität macht deutlich, wie schmal der Grat ist, auf dem viele Galerien wirtschaftlich arbeiten. Gleichzeitig erfordert diese Realität eine Diskussion über betriebswirtschaftliche Professionalität, Standardisierung und Kooperationen zwischen Galerien. „Dafür bedarf es einer neuen Haltung zu Transparenz und wirtschaftlicher Ernsthaftigkeit.“

Die ökonomische Lage zeigt sich auch in der Umsatzstruktur: 59 Prozent der Galerien gehören zum kleinen Segment mit einem Jahresumsatz von unter 400.000 Euro, 28 Prozent liegen im mittleren Segment zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Euro, und nur 13 Prozent überschreiten die Marke von 1,5 Millionen Euro. Der Gesamtumsatz aller Galerien in Deutschland liegt geschätzt bei 600 Millionen Euro – deutlich unter den 890 Millionen Euro der Galerienstudie 2020.

Beim Blick auf die Käufergruppen zeigt sich eine leichte Verschiebung: Über 60 Prozent der Umsätze stammen von Privatkund:innen, während der Anteil regionaler Käufer:innen zurückgeht. „Die Pandemie war kein ökonomischer Bruch – der eigentliche Einschnitt kam erst danach, als sich globale Krisen häuften und Sammler:innen spürbar weniger Geld ausgaben“, konstatiert Wöbken.

Insgesamt vertreten deutsche Galerien rund 14.600 Künstler:innen, darunter 41 Prozent Frauen. Deren Anteil ist seit 2020 um sechs Prozentpunkte gestiegen. „Es gibt eine bewusstere Programmpolitik und eine wachsende Sichtbarkeit von Künstlerinnen“, so Wöbken. „Eine vollständige Gleichstellung ist zwar noch nicht erreicht, doch im Vergleich zu den vorherigen Studienergebnissen wird ein klarer Wandel sichtbar.“

Nicht zuletzt bleiben Galerien ein relevanter Arbeitgeber: Zusammen schaffen sie zwischen 3.000 und 5.000 Arbeitsplätze, von Inhaber:innen über Angestellte bis hin zu freien Mitarbeiter:innen und Praktikant:innen.

Die Studie zeigt, dass die Marktsituation angespannt bleibt und sich vermutlich noch verschärfen wird. Der eigentliche Konsolidierungsprozess steht noch bevor.
Für die zukunftsfähigen Galerien sei es entscheidend, sich zu professionalisieren: „Wer nicht digitalisiert, standardisiert und klare Strukturen schafft, wird auf Dauer nicht bestehen.“ Dazu gehörten auch schriftliche Verträge mit Künstler:innen, innerbetriebliche Standardisierungen und die Bereitschaft zur Kooperation. „Glamour gehört zum Kunstmarkt, aber er allein trägt die Galerien nicht. Wer Galerien als Rückgrat der Kunstproduktion sichern will, muss auch das harte Geschäft sehen. Wirtschaftliche Stabilität, Transparenz und Kooperation sind dafür unverzichtbar.“

Die vollständige Studie steht auf der Webseite des IFSE zum Download bereit. Oder siehe PDF unten.

Der BVDG dankt sehr herzlich allen Teilnehmer:innen, die sich die Zeit für die Beantwortung der vielen Fragen genommen haben. Damit haben sie uns die Möglichkeit gegeben, belastbare Zahlen zum deutschen Galerienmarkt zusammenzutragen. Unser besonderer Dank gilt Hergen Wöbken für sein kritisches und fundamentales Interesse an Kunst, für seinen wachen analytischen Geist, seine stets inspirierenden Ideen und seine Freude am Austausch.

Weitere Informationen:

Kontakt IFSE
Hergen Wöbken
hergen.woebken@ifse.de
M 49 17 33 24 33 15
www.ifse.de

Kontakt BVDG
Birgit Maria Sturm, Silvia Zörner, Maria Morais
post@bvdg.de
T +49 30 263 922 980
www.bvdg.de

 

Galerienstudie 2025 Galerienstudie 2025 | Zahlen für den Kunstmarkt Galerienstudie 2025 | Zahlen für den Kunstmarkt